Thema des Monats

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Thema des Monats August:

Kunst aus Abfall

Kunst aus Abfall

Welchen Wert hat Abfall für jemanden, der gerade etwas entsorgt? Meist keinen. Für das Unternehmen, das sich um die Entsorgung kümmert: Einen logistischen, organisatorischen, zeitlichen. Für das Unternehmen, das für die Rückgewinnung der darin enthaltenen Rohstoffe verantwortlich ist: einen finanziellen. Doch kann Abfall auch einen ideellen Wert haben? Kann man in Abfall mehr erkennen als nur etwas Nutzloses, Überflüssiges, Störendes? Kann Abfall mehr als nur Müll sein? Die Antwort ist: Ja. Abfall kann auch Kunst sein. In dieser Form kann gewöhnlicher Abfall Gefühle erwecken, zum Nachdenken anregen, Debatten anstoßen, einen ästhetischen Genuss darstellen.

 

Wir möchten hiermit herzlich dazu einladen, in den nachfolgenden Überblick über einige Kunstprojekte einzutauchen, die allesamt die Idee vereint, etwas Neues aus etwas zu schaffen, das in unserer Gesellschaft keinen Wert mehr hat: Müll

 

 

1. Christopher Fennell

Der Künstler Christopher Fennell baut aus ausgedienten Gegenständen Skulpturen, die an architektonische Skelette erinnern. Bögen, Wellen, Tore, Bänke – die Vielfalt in seinem Werk ist groß und reicht von repräsentativen Plastiken zu Neuinterpretationen herkömmlicher Orte wie Bushaltestellen. Die hierbei verwendeten Materialien sind ebenfalls vielfältig: Zusammengeschweißte Schaufeln und Fahrräder, Altholz, Baseballschläger, Feuerleitern. Die Werke sind an zahlreichen Orten in den USA zu bewundern und sollten bei einem Urlaub auf der Liste der Sehenswürdigkeiten nicht fehlen.

 

2. HA Schult

HA Schult will mit seinen “Trash People” dem modernen Menschen einen Spiegel vorhalten. Die aus Abfall hergestellten Skulpturen stellen menschliche Körper dar. Aufgestellt in Reih und Glied wirken sie beinahe martialisch und erinnern so auch daran, dass von unserem geordneten Wohlstand eine Bedrohung für den Planeten ausgeht. Nach Ansicht des Künstlers sei man auch immer selbst das, was man produziere und so würden Menschen letztlich selbst zu dem Müll werden, den sie produzieren. Eine durchaus provokante These, die aber angesichts der drastischen Umweltverschmutzungen vielleicht notwendig ist. Ausgestellt wurden HA Schults Trash People bereits in Frankreich, Russland, China, Luxemburg, Israel, Spanien sowie in verschiedenen deutschen Städten.

 

3. Artula Institute for Arts and Environmental Education

Das vom Artula Institute for Arts and Environmental Education im US-amerikanischen Bundesstaat Oregon initiierte Projekt “Washed Ashore” verfolgt einen zugleich pädagogischen wie künstlerischen Zweck: Durch das Sammeln von angeschwemmtem Meeresmüll und der Verarbeitung zu Skulpturen wird Bewusstsein für die Verschmutzung der Meere geschaffen und gleichzeitig etwas Positives durch die kunstvolle Gestaltung der Müll-Skulpturen vermittelt, die oft nautische Naturdarstellungen thematisieren. Die im Rahmen von Wanderausstellungen erlebbaren Werke waren bereits an zahlreichen Orten in den USA ausgestellt. Nach eigenen Angaben wurden hierfür bereits rund 500 Kilometer Strände gesäubert und etwa 30 Tonnen Plastikmüll verarbeitet.

 

4. Bordalo II

Die exzessive Produktion und Konsumption von Dingen, die zur kontinuierlichen Produktion von Abfall führt und damit zur Zerstörung des Planeten, das sind die zentralen Themen des portugiesischen Künstlers Bordalo II. In seiner Serie “Big Trash Animals” verarbeitet er Abfall zu einzigartigen Tierdarstellungen, die nach Aussage des Künstlers zu einem differenzierten Blick auf unsere Konsumgewohnheiten provozieren sollen. Bordalo II steht mit dieser Reihe auf der Schwelle zwischen Skulptur und Street Art: Die plastischen Elemente befinden sich auf Hauswänden, Mauern und Fassaden und sind oftmals bunt wie Graffiti. Bewundern kann man die Werke unter anderem in den USA, Portugal, Norwegen, Frankreich und Belgien.

 

5. Joe Rush

Pünktlich zum 46. G7-Gipfel, der im Juni stattfand, hatte der britische Künstler Joe Rush ein Kunstwerk geschaffen, das an den Mount Rushmore in den USA erinnert: Die Häupter der sieben Regierungschefs und –Chefinnen sind allerdings nicht in Felsen getrieben wie bei dem amerikanischen Vorbild, sondern wurden aus Elektroschrott modelliert. Damit wollte der Künstler Aufmerksamkeit für die Problematik des Elektroschrotts in Europa schaffen.

 

 

Wie dieser kurze Überblick zeigt, sind die Möglichkeiten vielfältig, Abfall wiederzuverwenden und dem scheinbar Nutzlosen wieder einen Sinn zu geben. Die vorgestellten Künstlerinnen und Künstler wollen mit dieser Strategie einen Beitrag zur Diskussion über die Wegwerfgesellschaft leisten – doch letztlich vereint diese Werke auch ein ästhetischer Wert: Man kann sogar so weit gehen zu behaupten, dass diese Skulpturen und Plastiken, auch ohne das Wissen, dass sie aus Abfall hergestellt wurden, einen Wert an sich darstellen. Und ebenjener Gedanke ist der entscheidende: Dass tendenziell alles einen Wert haben kann. Betrachtet man die Welt aus dieser Perspektive, lernt man auch, dass vermeintlich Selbstverständliche besser zu schätzen und sorgsamer mit dem Gegebenen umzugehen. Und vielleicht inspiriert diese Kunst ja auch, in den eigenen Gegenständen bestimmte Dinge zu erkennen, die man umfunktionieren, wiederverwenden, denen man einen Wert (zurück)geben kann, bevor sie zu Abfall werden. Wer hier nach Ideen sucht, kann sich über Upcycling informieren. Denn der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht.

 

Foto: Katarzyna Tyl / pixabay.com